Gute Vorsätze – und dann?

Wie wir selbst gesteckte Ziele mit Wohlwollen und Akzeptanz erreichen, statt sie vorzeitig an Erfolgsdruck und falsch verstandener Disziplin scheitern zu lassen

Text: Christiane Wolf | Foto: James Chou *this article first appeared in moment-by-moment.de

Ist 2019 das Jahr, in dem du endlich jeden Tag meditierst? Oder dreimal in der Woche zum Sport gehst? Neues Jahr, frischer Start! Wir starten voller Elan und Begeisterung. Aber die Statistik sieht leider reichlich ernüchternd aus: Etwa 80 Prozent der guten Vorsätze werden bis zum Februar bereits wieder aufgegeben.

Es ist sehr viel leichter, sich eine Veränderung vorzustellen und vorzunehmen, als sie dann tatsächlich auch umzusetzen. Viele Artikel oder Blogs haben nützliche Tipps zur Hand, aber bevor wir uns den Details der Umsetzung zuwenden, möchte ich uns einladen, einen großen Schritt zurückzutreten und zu fragen: „Warum? Warum diese Vorsätze?“

Etwas Neues zu lernen, sich zu verändern, zu verbessern und zu wachsen, sind tiefe menschliche Bedürfnisse. Wir würden es als Babys nie zum Krabbeln und Laufen bringen, wenn diese wunderbare Neugier und der Forschungsdrang nicht angeboren wären. Veränderung und Wachstum können tiefe Freude und Befriedigung hervorrufen oder uns schmerzlich unter Leistungs- und Erfolgs Vorsätze – und dann? druck setzen. Der Unterschied liegt in der Motivation. Bob Sharples, Meditationslehrer aus Australien, hat den Ausdruck der „subtilen Aggression der Selbstverbesserung“ geprägt. Oft steht hinter dem Wunsch zur Selbstverbesserung das nagende Gefühl, dass wir, so wie wir sind, nicht gut genug sind. Nicht fit genug, nicht schlau genug, nicht einfühlsam genug, nicht schlank genug, nicht – hundert weitere Eigenschaften – genug. Wir sind daher ständig dabei, an uns zu drehen und zu schieben, zu schrauben und zu feilen.

Die perfekte Version von uns hätte natürlich schon längst eine inspirierende Morgenroutine, komplett mit Zitronenwasser, Tagebuch, Meditation und je nach Typ entweder einem sanften Yoga-Workout oder einem schweißtreibenden Tabata-Quickie. Und wir wären natürlich nicht mehr so schrecklich selbstkritisch, sondern endlich voller Mitgefühl für uns selbst!!

Aber Selbstmitgefühl scheint tatsächlich ein Schlüssel für weitgreifende und andauernde Veränderungen zu sein. Selbstmitgefühl steht Studien zufolge mit gesünderen Verhaltensmustern wie zum Beispiel mehr Bewegung und guter Ernährung in Verbindung.

Das Entscheidende daran ist, dass das Selbstmitgefühl uns bedingungslos so annimmt, wie wir bereits sind, einschließlich aller Macken und Unvollkommenheiten! Es ist, als ob es sagte: „Ich liebe dich genau so, wie du bist. Aber eben weil ich dich so sehr lieb habe, wünsche ich mir, dass du mit dem Rauchen aufhörst, regelmäßig Sport treibst (oder was auch immer die gewünschte Veränderung ist).“ Oder wie der Psychologe Carl Rogers sagte: „Es ist ein merkwürdiges Paradox, dass ich mich erst ändern kann, wenn ich mich wirklich so annehme, wie ich bin.“ Wir können das auch Liebe nennen.

 

       Übungen 

 

Sich mit Wohlwollen statt mit Kritik motivieren

Reflektiere in der Meditation, beim Spaziergang oder mit einem Tagebuch darüber, warum du dir eine bestimmte Verhaltensveränderung wünschst, besonders eine, die du bereits mehrfach erfolglos durchzuführen versucht hast. Möchtest du dich ändern, weil du siehst, wie dir bestimmte Verhaltensweisen schaden oder dir zumindest nicht guttun? Das ist ein ausgezeichneter Grund! Als nächsten Schritt schau hin, wie deine innere Haltung gegenüber der Situation jetzt ist. Wenn sie ablehnend, kritisch oder sogar angewidert ist, dann ist es hilfreich, sich zunächst mit diesem Gefühl zu befassen. Wenn du bereits eine Weile Achtsamkeit praktizierst, wird dir das sehr bekannt vorkommen. Wir arbeiten mit dem Widerstand, weil wir wissen, dass er es meist nur noch schlimmer macht: What you resist, persists. Ein systematisches Erlernen von Selbstmitgefühl mag hier als nächster Schritt anstehen.

Plane Pausen

und „Misserfolge“ ein Wenn wir uns mit Wohlwollen anspornen, dann sind Rückschläge und Pausen nicht nur okay, sie werden auch erwartet. Etwas Neues auszuprobieren, erfordert Mut, Disziplin und Ausdauer. Wir erwarten ehrliches Bemühen, aber keinen Perfektionismus. Wenn wir mal eine Meditationsoder Sportsitzung verpassen, ist das keine große Sache. Wir sind beim nächsten Mal einfach wieder dabei. Perfektionismus führt eher dazu, etwas abzubrechen oder aufzugeben, weil man sich dem Druck nicht gewachsen fühlt. Selbstmitgefühl ist unser Partner beim „Hinfallen, Aufstehen, Krönchenzurechtrücken, Weitergehen“.

Umgib dich mit Gleichgesinnten

Eine der besten Methoden für jegliche Verhaltensveränderung ist, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben. Verhalten und Einstellungen färben ab! Mit anderen zu meditieren und sich auszutauschen, ist eine der erfolgreichsten Methoden für eine regelmäßige Meditationspraxis. Sich zum Joggen zu verabreden oder sich zu einem monatlichen Buchclub zu verpflichten, kann das Zünglein an der Waage zum Erfolg sein.

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